Interview: Werner Bock

Werner Bock: Bei Regen fuhr ich immer besonders  gut

Exif_JPEG_PICTUREIch hatte einen motorsportbegeisterten Onkel, Wilhelm Schmidt, der selbst auch Motorradrennen und vor dem Krieg die Eilenriede gefahren ist, Lizenz. Er hat mich unterstütz. Bis 1952 war ich Ausweisfahren, dann Lizenzfahrer und 1954 Deutscher Juniorenmeister. Ich war noch jung, 17 Jahre alt, als ich die Eilenriede zum ersten Mal fuhr, damals im Beiwagen. In dieser großen Klasse habe ich beim Hillbrunner gefahren und auch bei Bruno Kappe aus Stadthagen. Dann habe ich zwischendurch sologefahren in der-125er Klasse mit einer DKW, die Silberne Eule von Peine, Kellersee, Kieler Hafenkurs, Buchholz bei Hamburg, Scheuen bei Celle. Dann habe ich mal gewechselt auf eine geliehene 250er-NSU. Irgendwann bin ich selbst Gespann gefahren. Das war ein R-75-Motor mit einem 500er-Getriebe und Rechtsbeiwagen. Nach der 750er kam eine 500er, die habe ich von dem damaligen Weltmeister Faust übernommen. Das war der Einstieg in die 500er-Klasse. Willi Faust wurde damals Werksfahrer bei BMW. Er bekam vom Werk eine Motorrad gestellt, das war 1954.

Als Faust bei einem Weltrekordversuche stürzte und sich den Arm brach, da ist sein Beiwagenfahrer Remmert bei mir gefahren, zwei, drei Rennen in der DDR. Ich bin in der Zeit viel dort gefahren: Halle-Saale-Schleife, Scheitzerdreieck, Hohenstein-Ernstthal, Wismar, Dresden-Hellerau, Bernau. Ich war überall: Nürburgring, Feldberg, Hamburger Stadtpark. Die Rennerei war eine kostspielige Sache. Wir wurden eigentlich gut bezahlt, aber im Osten bekamen wir kein Geld sondern Fotoapparate, Ferngläsern usw.

Werbung spielte also eine große Rolle zur Finanzierung. Ich war Lehrling und musste sehen, dass ich über die Runden kam. Ich musste mit geringen Mitteln die Maschine unterhalten. Der Beifahrer bekam auch Geld, der tat das auch nicht umsonst. Wir hatten einen Vertrag mit der Continental, dass wir wenigstens die Reifen umsonst bekamen, und bekamen Preisgelder, wenn wir erster, zweiter oder dritter waren. Von Castrol und Beru, das sind Zündkerzen, gab es das auch. Ohne Werbung wäre das Rennen insgesamt undurchführbar gewesen.

Wenn man als Privatfahrer in der Eilenriede fuhr und am Sonnabendvormittag das Pflichttraining erfüllte, dann war man schon der Allergrößte. Es fuhren dort Werksfahrer wie Faust/Remmert, Hillbebrand/Grunwald, Böhm/Fuchs… Wenn sie dann als Privatfahrer überhaupt am Rennen teilnehmen konnten, war das schon ein großer Erfolg.

Es fehlt natürlich auch das Geld, um Auto zu fahren. Mein Onkel hat mich unterstützt, meine Mutter heimlich. Mein Onkel hat mir dann auch das erste Geld gegeben, für die Maschine von Faust. Er hatte eine Werkstatt in Buchholz, ein Fuhrunternehmen. Das Gespannfahren hat mich sehr begeistern, das war brutaler als Solofahren. Meine Rennen habe ich besonders im Regen gewonnen.

Werner BockBeim Beiwagenfahren ist man ein Team, da sind sie auch abhängig von ihrem Beifahrer. Ich weiß noch, bei meinem letzten Rennen in Battenberg, da war ich in einer abschüssigen Rechtskurve im Windschatten hinter einem, und da ist der Beiwagen hochgegangen, weil der Beifahrer einen Fehler gemacht hat. Der ist gegen einen Baum geklatscht und war tot. In dem Moment, als die Maschine zurückkam, war ich knapp durch. Wenn ich nur ein paar Sekunden langsamer gewesen wäre, hätte es mich auch erwischt.

Beim Starten mussten sie aufpassen. Beim Eilenriederennen standen in der ersten Reihe die ganzen Werksmannschaften, ganz klar. Die haben ja professionelle Unterstützung und die schnellsten Motoren gehabt. Wir haben teilweise mit selbstfrisierten Motoren angefangen. Der Start in der 750er Klasse war mit ehemaligen Wehrmachtsmaschinen. Da hat man die Motoren belassen und ein anderes Getriebe darangehängt. Die Motoren wurden dann von Fachleuten, die sich drauf spezialisiert haben, z.B. Ernst Hoske in Hameln, frisiert.

Werner Bock im RennenMein Onkel hat die Maschinen gemacht. Bei allen Rennen, wo er dabei war, habe ich gewonnen. Ich war meist etwas verrückt, meist aber vorn. Ich bin immer auf Druck, auf Kraft gefahren. Wenn er dabei war, konnte ich gut taktisch fahren. Der hat mir genau angezeigt, wie das Rennen stand, was ich tun sollte.

Ich hatte damals in den letzten Jahren einen VW-Bus zum Transport der Maschine. Da habe ich teilweise, wenn wir kein Geld hatten, drin geschlafen. Wir waren quasi wie Vagabunden; haben den Bus gehabt, sind losgefahren, hatten wenig Geld, haben irgendwie privat gewohnt. Meist fuhr man Freitag los, saß im Fahrerlager zusammen. Abends ging man in die Kneipe, wo die anderen Fahrer waren. Da war Musik, Tanz, wie es heute bei der Formel Eins ist. Oft haben wir im Training schon geguckt, wo eine gute Frau an der Strecke stand usw.

Es gab sogar eigene Fanclubs, die dann mitfuhren, mit gezittert haben und sich mit dem Club identifizierten. So ging das von einem Rennen zum Anderen. Da freute man sich schon, dass man nächste Woche woanders fuhr, dass man wieder mit den befreundeten Fahrern zusammen war. Mit Faust und Remmert war ich befreundet. Ich kann mich auch noch gut an Walter Zeller erinnern. Er war der kommende Mann bei BMW. Einige waren auch Vorbilder. Ich war ja ein junger Bengel, und das waren zum Teil Weltmeister.

Beim Eilenriederennen war man Zuhause, bei den anderen Rennen war es mehr abenteuerlich. Hier in Hannover fuhr man zum Training und fuhr dann wieder Nachhause. Man kannte ja die Eilenriedestrecke und fuhr blind in die Kurven. Für das Gespann war es so, dass die schmalen Straßen in der Eilenriede teilweise problematisch waren. Je mehr Herz man hatte, desto mehr ließ man das Gas bis dicht an die Kurve stehen, bremste, wenn es ging, als letzter.

Der Start war nach dem Krieg am Lister Turm, da kam gleich so eine kleine rechts Kurve, was sehr gefährlich war. Da fuhr man dann mit zehn Gespannen hinein. Wenn sie durch die erste Kurve fahren, trennt sich schon die Spreu vom Weizen.

Plötzlich fehlte das Eilenriederennen 1956. Ich meine, man sagte, die Strecke sei zu gefährlich und dass die Sicherheitsvorkehrungen in der Eilenriede nicht mehr gut genug wären. Ich war enttäuscht. Aber wir haben an dem Termin in einer anderen Stadt gefahren, darum sind wir dann darüber weggekommen, sonst hätte uns das schon gestört, dass das Eilenriederennen nicht mehr stattfand.