Interview: Wolfgang Brand

Wolfgang Brand - Eilenriederennen

Wolfgang Brand: Mich haben schon immer Motorräder angezogen

Mein Vater ist schon Motorradrennen gefahren, da hat man das etwas im Blut. Er fuhr hauptsächlich Sand- und Aschenbahnrennen auf einer 175 DKW und auf einer 250er Rudge, einer richtigen Rennmaschine. Die Eilenriede ist er vor dem Krieg in einem Ausweisrennen mit seinem Seitenwagengespann gefahren. Ich würde sagen, das war so 1935. Eigentlich war er gelernter Bäcker und Konditor, musste dann aber bei einer Straßenbaufirma arbeiten und auch die Eilenriedestrecke mit erneuern. Danach ist er in einer Autowerkstatt am Weidendamm gewesen. Dort hat er zum ersten Mal Spaß an der Sache gehabt und sich selbständig gemacht, mit einer Autoverwertung. Wenn ich Rennen fuhr, ist mein Vater immer mitgekommen. Er hat im Fahrerlager geholfen, hat beim Rennen an der Box gestanden, mir beim Rennen angezeigt, wie ich fahren soll: schneller, langsamer, du hast Zeit usw.

Es fing für mich kurz nach dem Krieg an, als ich diese Motorengeräusche von Weitem hörte. Ich bin mit dem Fahrrad dem Lärm, hinterher gefahren, bis zum Lindener Berg. Da habe ich die Engländer Dirttrackrennen fahren gesehen und gedacht: „Das willst du auch machen!“ Dann bin ich zwischendurch zur Lehre gekommen. Mein Vater hat damals 15 Tonnen englischen Schrott von der Hanomag, wo die Briten waren, aufgekauft. In dem Schrott, lagen halbe Motorräder, Motorenteile usw. Ich habe mir dann daraus genau das Motorrad gebaut, was ich bei den Engländern gesehen habe. Das waren alte ausgediente Heeresmaschinen. Ich habe mir einen Schweißdraht mitgenommen, an den Rahmen gelegt, das Ganze nachgeformt. Dann bin ich vorsichtig auf dem Fahrrad nach Hause gefahren, wo ich erst einen Rahmen gebaut habe, bis irgendwann meinMotorrad da stand.
Einmal kam ein Freund von meinem Vater vorbei, ein ganz bekannter Aschenbahnfahrer, der mit meinem Vater Rennen gefahren ist. Der sagt zu ihm: „Mensch Erich, willste wieder Motorrad fahren? Das ist ja toll“. Das sagt mein Vater: „Du wirst es nicht glauben, das Ding hat mein Sohn zusammengebaut“. Er sagte dann: „Donnerwetter, das hat er gut hingekommen. Wir haben doch hier in Sehnde ein Rennen“. So bin ich in dann in der Pause bei diesem Grasbahnrennen zwei, drei Runden gefahren. Daraufhin sagt er zu meinem Vater: „Lass doch den Bengel fahren. Der kann das doch. Das siehste doch, geht doch wunderbar“. Der Führerschein war beantragt, das genügte. Dann bin ich da also als Neuling hingekommen, mit meinem selbstgebauten Motorrad. Ich hatte einen von meiner Mutter selbstgestrickten Pullover an, und eine Wehrmachtshose. Den Eisenschuh, den man dazu brauchte, habe ich mir auch selbst gemacht. Jedenfalls den ersten Vorlauf in der 350er Klasse gewinne ich, den zweiten Vorlauf, und den Endlauf auch. Da sagt mein Vater: „Weißte was, das geht ja sauber. Wir melden die 500er nach.“ Dann kam die 500er-Klasse, da hatte ich es mit richtigen Rennmaschinen zu tun. Die habe ich auch gewonnen. Da hatte ich meinen ersten Ersten Preis gewonnen. Die Engländer waren auch in Sehnde und haben mich gesehen. Dann haben sie mich zu „Städtekämpfen“ mitgenommen. Da sind die Hannoveraner gegen die Bremer gefahren oder Kiel, Lübeck, Hamburg.

Beim Maschseerennen 1949, bin ich leider an erster Stelle liegend ausgefallen, weil die Kette absprang. Ich habe alles gefahren: Zementbahn, Grasbahn, Steilwand und halte zum Teil bis heute die Bahnrekorde. Einmal bin ich mit vier Kränzen an einem Tag nach Hause gefahren. Das war Anfang der 50er Jahren. 1951 war ich dann schon Lizenzfahrer. Da hatte ich schon so viele Erfolge, das ich als Ausweisfahrer nicht mehr fahren durfte. Mein Chef war ein Bekannter von Richard Dörnke, den ich sehr gern mochte. Der sprach mit jemanden von NSU und sagte: „Der Wolfgang Brand ist ein guter Mann, den seht euch mal an. Den könnt ihr bestimmt gebrauchen.“ Dann haben die von NSU mich eingeladen, und ich musste zeigen, was ich konnte. Die achteten genau darauf, wie man das Motorrad anfasste, anschob, wie man saß usw. Sie haben mich mitgenommen nach Barcelona, Monza überall. Als Jüngster im NSU-Werksteam bekam man nicht das beste Material.

In der Eilenriede waren die Straßenbeläge unterschiedlich, da musste man aufpassen. Man hat am Besten erst den Kurs mit dem Fahrrad abgefahren. Dann konnte man sich Punkte aussuchen, wo man bremste. Am Steuerndieb war eine Linkskurve und dann ging es noch einmal links in die Eilenriede. Dann kam eine schwierige Strecke mit vielen Kurven. Die Rennmaschinen hatten auch nicht nur Reifenabrieb, sondern auch leicht Öl verloren, wenn man die richtig mit Vollgas laufen ließ. Irgendwann wurde das zu einer Fläche und glatt. Wenn es anfing zu regen, war es fast nicht möglich da zu fahren.

Mit der Lizenz bin ich das erste Mal 1951 mit einer 350er Norton den Kurs gefahren. 1952 habe ich dann schon eine 250er-zwei-Zylinder-NSU vom Werk gefahren. Das waren meine Anfänge als Werksfahrer. Dann habe ich mir auch Mal den kleinen Finger gebrochen. Ich bin beim Anbremsen mit dem Vorderrad weggerutscht. Dadurch fiel ich beim Eilenriederennen aus. Ich bin jedenfalls acht Tage später schon wieder gestartet. Als die 250er-Werksmaschinen eingestellt wurden, dass war 1954, da kamen die Sportmäxe heraus. Meine wurde als Privatmotorrad mit Werksunterstützung ausgewiesen. Da habe ich dann die 250er-Klasse als bester Privatfahrer hinter den Werksrennmaschinen in der Eilenriede gewonnen. Walter Reichert und ich, wir hatten die ersten beiden 250er-Sportmäxe, die wir sozusagen im Versuch fuhren.  1954 ist Hollaus mit meiner Maschine tödlich verunglückt. Da haben sie in Monza eine neue Verkleidung ausprobiert, als es passierte. Das war meine Startnummer und prompt stand in irgendeiner Zeitung: „Wolfgang Brand ist tödlich verunglückt“.

Zum Saisonende in der Eilenriede 1955 war es mein 17. Rennen hintereinander. Da lag ich an dritter Stelle. Da war einer vorn, der hieß Sammy Miller. Das war ein ganz schneller. Dann kam H.P. Müller, dann kam ich und dann kam Baltisberger. Ich hätte den dritten, vielleicht auch den zweiten, Platz nach Hause fahren können, aber meine Stoßdämpfer waren nicht in Ordnung. Da habe ich auf der Geraden schon gemerkt, dass ich Probleme hatte. Wenn ein Stoßdämpfer nicht in Ordnung war, dann hatte das Rad ein Eigenlenkverhalten, man konnte schlecht geradeaus fahren, und es federte auch leicht durch. Der Unfall war auf der Strecke vom Steuerndieb zum Lister Turm. Das waren richtige Kurven, die wurde um die 150 km/h gefahren. In einer Linkskurve in diesem Wald, da war die Straße nicht in Ordnung. Drei Runden vor Schluss bin ich dann wieder durch dieses eine Loch gefahren, dann hat das Motorrad aufgesetzt und ist zur Seite weggegangen. Die Maschine hat sich überschlagen, und bei mir ging das Licht aus. Ich bin dann im Sanitätsbereich wieder wach geworden. Das sollte ohnehin mein letztes Rennen sein. Es war die Zeit, als nichts mehr nach vorn ging. Das habe ich wohl gespürt und dann aufgehört. Zum Schluss habe ich einigermaßen Geld verdient, und es in mein Geschäft investiert. Diese Zeit war für viele der Übergang vom Motorrad zum Auto, denn die Leute wollten ein Dach überm Kopf, eine Scheibe vorm Gesicht und eine Tür, die man zumachen konnte, wenn es richtig kalt wurde.